Bewertung von Bevölkerungsmeinungen zu Olympischen Spielen in Deutschland

von Holger Preuß (Schatzmeister der Deutschen Olympischen Akademie) & Till Dannewald

Nach der Niederlage bei der Bewerbung um Olympische Winterspiele gegen das südkoreanische Pyeongchang 2018 und die Ablehnung von Olympischen Winterspielen in München 2022 durch die Bevölkerung will sich Deutschland nun mit Hamburg für 2024 um die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele bewerben. Allerdings ist die Zustimmung der Bevölkerung zu einer erneuten Bewerbung um Olympische Spiele in Hamburg nicht sehr hoch ausgefallen, denn im März sprachen sich nur 64% der befragten Hamburger für eine Bewerbung aus (im September waren es 53%) (FORSA, 2015, p.7). Dennoch scheint der Wunsch nach Olympischen Spielen in Deutschland sehr ausgeprägt. In einer Befragung in Berlin und Hamburg begrüßten immerhin 80% Olympische Spiele in Deutschland (FORSA, 2015, p.2) und während der Spiele in Sotschi 2014 lagen die Einschaltquoten im deutschen Fernsehen so hoch wie seit Lillehammer 1994 nicht mehr (Saukel 2014). In der konkreten Situation scheinen jedoch vermeintlich hohe Opportunitätskosten, fehlendes Vertrauen in die lokale Politik und diffuse Vorstellungen von den Anforderungen einer Organisation der Spiele und der dahinterstehenden internationalen Verbänden eine breite Akzeptanz der Spiele zu verhindern.

In Medienbeiträgen (Könecke et al. 2015) und öffentlichen Diskussionen wird immer wieder deutlich, dass die Unterstützung durch die Bevölkerung wesentlich von den zu erwartenden ökonomischen Wirkungen der Spiele abhängt (siehe auch Preuss & Solberg, 2006). Zentraler Diskussionspunkt ist dabei der Einsatz von Steuermitteln für die Finanzierung der Spiele. Eine Bewertung der Nachhaltigkeit Olympischer Spiele muss aber auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen berücksichtigen. Wie aber können verbesserte Sportgelegenheiten, veränderte Lebensqualität oder die Freude über sportlichen Erfolg der eigenen Nation gemessen werden?

Wenn die Bevölkerung über die Ausrichtung Olympischer Spiele in der eigenen Stadt befragt wird, kann sie diese ablehnen oder befürworten. Eine monetäre Bewertung von Olympischen Spielen wäre deshalb interessant, da man dadurch von denen, die den Spielen zustimmen, eine genauere Vorstellung von der Stärke der Zustimmung bekommt. Die Contingent Valuation Methode (CVM) wurde genau dazu entwickelt. Sie kann die Zahlungsbereitschaft (ZB) für ein Gut ermitteln, für das es im Grunde keinen bekannten Preis gibt. Von Mai 2009 bis Mai 2011 wurden über 3.400 Personen im Rhein-Main Gebiet in drei Wellen nach deren Wertschätzung Olympischer Winterspiele in München 2018 befragt (Preuß & Werkmann, 2011). Mit Hilfe des statistischen Verfahrens „Bootstrap" (Hall, 1994) konnten die leicht verzerrten Stichproben letztlich bevölkerungsrepräsentativ abgebildet und damit vergleichbar gemacht werden.

Folgende allgemeingültige Erkenntnisse, die auch auf Hamburg 2024 zu übertragen sind, wurden bei der empirischen Erforschung der Wertschätzung Olympischer Spiele in München 2018 gesammelt:

„Welche Faktoren kennzeichnen diejenigen, die eine Zahlungsbereitschaft (ZB) für Olympische Spiele aufweisen?"

Da wäre zunächst das Sportinteresse zu nennen. Je ausgeprägter dieses ist, desto wahrscheinlicher ist die Bereitschaft, für die Ausrichtung Olympischer Spiele in Deutschland einen finanziellen Beitrag zu leisten. Des Weiteren ist jemand, der die Wirkungen der Spiele generell positiv wahrnimmt, eher zahlungsbereit, als wenn er eine generell negative Einstellung zu den Wirkungen der Spiele hat. Alter und Geschlecht haben hingegen keinen nennenswerten Einfluss auf die ZB. Das heißt, dass die Olympischen Spiele sowohl von Jung und Alt als auch von Mann und Frau gleich wertgeschätzt werden. Schließlich zeigte sich, dass die ZB mit zunehmenden Einkommen steigt. Allerdings steigt die ZB relativ gesehen zum Einkommen. Daher kann man die ZB als Maß für die Wertschätzung der Spiele nur in Relation zum Einkommen bewerten. So zeigt die Studie, dass die Wertschätzung Olympischer Spiele über die meisten Einkommensklassen hinweg relativ gleichbleibend ist. Nur in den höchsten Einkommensklassen waren die Befragten bereit, relativ mehr von ihrem Einkommen zu geben.

„Verändert sich der Anteil der Personen mit Zahlungsbereitschaft und die Höhe der Zahlungsbereitschaft für Olympische Spiele im Zeitverlauf?"

Dazu wurden die Ergebnisse der drei Messzeitpunkte miteinander verglichen. Es zeigte sich, dass sich die ZB nicht nur im Zeitverlauf ändert, sondern dass auch die positiven und negativen Auswirkungen der Spiele über die Zeit hinweg unterschiedlich eingeschätzt werden. Allerdings sehen diejenigen, die eine ZB haben, durchweg seltener negative Wirkungen und häufiger positive Wirkungen der Spiele. Im Jahr 2009 hatten ca. 38% der Befragten eine ZB von durchschnittlich 28 Euro, im Jahr 2010, d.h. nach den Spielen von Vancouver, dann 30% sogar eine ZB von 37 Euro. In 2011 dagegen, d.h. nach der Wahl von Katar zum Ausrichter der FIFA Fußball WM und der Wiederwahl Blatters zum Präsident der FIFA, waren es nur noch 24% der Befragten, zudem mit einer wesentlich niedrigeren ZB von 20 Euro. Die ZB als Maßstab der Wertschätzung der Spiele in einer Bevölkerung ist daher mit Vorsicht zu interpretieren. Sie sagt lediglich aus, dass Menschen Geld von ihrem Einkommen dafür geben würden, die Spiele in Deutschland zu haben.

Wir haben in unserer Studie Menschen aus dem Rhein-Main Gebiet befragt, also jene, die nicht direkt von Winterspielen in München betroffen gewesen wären. Daher sind die Ergebnisse nicht mit denen der FORSA-Befragung in Hamburg und Berlin zu vergleichen. Dort wurde die möglicherweise direkt betroffene Bevölkerung nach ihrer Meinung befragt. Außerdem wurde keine ZB abgefragt. Nichtsdestotrotz ermittelten wir wichtige Erkenntnisse in Hinblick auf die Bewerbung Hamburgs. Die Zustimmung zu den Spielen schwankt im Laufe der Zeit und ist von exogenen Faktoren beeinflusst. Ein Referendum, wie es im November in Hamburg ansteht, ist damit durch die zu der Zeit veröffentlichten Medienmeldungen sowie das weltpolitische Sportgeschehen beeinflusst. Eine gut abgesicherte repräsentative Befragung der Hamburger Bevölkerung über einen etwas längeren Zeitraum wäre daher geeigneter als das im November geplante Referendum. So wären die direkte Beeinflussung durch Medienberichte und auch der verzerrende Einfluss einer kurzfristigen Aktivierung bestimmter Gruppen (zumeist Olympiagegner) zur Wahlbeteiligung reduziert.

Mehr zu dieser Studie in Kürze

FORSA (2015). Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und Berlin zu einer Bewerbung um die Austragung der Olympischen Spiele. Retrieved on 10.4.2015 at http://www.dosb.de/fileadmin/Bilder_allgemein/Veranstaltungen/Berlin_Hamburg/Olympische_Spiele_Deutschland_Umfrage_Forsa_Hamburg_Berlin_Feb._2015.pdf
Hall, P. (1994). Methodology and Theory for the Bootstrap. Handbook of Econometrics (Volume 4) Eds: Robert F. Engle and Daniel L. McFadden. North Holland.
Könecke, Th., Schubert, M. & Preuss, H. (2015). (N)Olympia in Germany? Some Lessons Learned from the Referendum against Munich 2022, in Review.
Preuss, H. & Solberg, H.A. (2006). Attracting Major Sporting Events - The Role of Local Residents. European Sport Management Quarterly, 6(4), 391-411.
Preuß, H. & Werkmann, K. (2011). Erlebniswert Olympischer Winterspiele in München 2018. Sport und Gesellschaft, 8(2), 97–123.
Saukel (2014). Retrieved at http://www.quotenmeter.de/n/69225/2010-vs-2014-welche-winterspiele-liefen-besser.