Die Bewerbung um Olympische Spiele – Neue Perspektiven?

Session der Deutschen Olympischen Akademie beim ISHPES-Kongress in Münster

Sportjournalist Volker Kluge sprach als einer von drei Experten bei der DOA-Session.

Die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele in Verbindung mit der Auswahl zukünftiger Gastgeberstädte ist heute einer der schwierigsten und gleichzeitig entscheidendsten Prozesse, mit denen das Internationale Olympische Komitee (IOC) konfrontiert ist. Die Zahl der Interessenten und Bewerber sinkt, vor allem in westlich geprägten Demokratien. Die Angst vor unvorhersehbaren, langfristigen Kosten ist hoch, Doping- sowie Korruptionsskandale tun ihr Übriges, um das Image des IOC zu beeinflussen – und letztlich auch das der Spiele. Mit seiner Agenda 2020 und den im Februar unter dem Titel „The New Norm“ veröffentlichten Reformvorschlägen zielt das IOC nun darauf, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken und die olympische Marke wieder zu stärken.

Diese Ausgangslage steckte das Themenfeld ab, dem sich die Deutsche Olympische Akademie (DOA) beim Jahreskongress der International Society for the History of Physical Education and Sport (ISHPES) am 19. Juli in Münster in ihrer Session widmete. Zum Thema „The Bid for Olympic Games – New Perspectives?“ referierten Volker Kluge (Sportjournalist) zur Geschichte der Bewerbung um Olympische Spiele, Anja Scheu (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) zum negativen Referendum in Hamburg 2015 und Stefan Klos (PROPROJEKT) zur Reform des Bewerbungsprozesses.

In der vom stellvertretenden DOA-Vorsitzenden Prof. Dr. Manfred Lämmer moderierten Session legte zunächst Volker Kluge den Fokus auf die Bewerbungen um vergangene Olympische Spiele – begonnen bei den ersten Spielen der Neuzeit Ende des 19. Jahrhunderts. Er zeichnete die historische Entwicklung und Reform des Bewerbungsprozesses ebenso nach wie die Konjunkturen des Kandidateninteresses. In seinem Fazit widersprach er zum einen der weit verbreiteten Sichtweise, dass das weltweite Interesse an der Ausrichtung Olympischer Spiele schwindet. Zum anderen gab er zu bedenken, dass eine zu starke Fixierung auf Kandidaten westlich-demokratischer Prägung einen Großteil der Weltbevölkerung von der Ausrichtung der Spiele ausschließen würde.

Anja Scheu und Stefan Klos komplettierten die Referentenrunde.

Aus welchen Gründen sich die Bevölkerung einer potenziellen Kandidatenstadt in einem Referendum gegen eine Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele entscheidet, untersuchte Anja Scheu. Sie stellte in Münster eine Studie vor, die die Ergebnisse einer Bürgerbefragung zur Bewerbung von Hamburg 2024 analysierte. Dabei wurde deutlich, dass negative Erwartungen (vor allem bezüglich ausufernder Kosten) für die Bewohner der Stadt deutlich schwerer wogen als positive. Um ein erfolgreiches Referendum umzusetzen sollten Bewerbungsgesellschaften daher sowohl die negativen Befürchtungen der Bevölkerung kennen als auch die positiven Auswirkungen der Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele noch stärker betonen, fasste Scheu zusammen.

Den Blick in die Zukunft des Bewerbungsprozesses richtete schließlich Stefan Klos, der als Berater des IOC selbst direkt in die Umgestaltung des Verfahrens involviert ist. Er beschrieb die Umwandlung der Ausrichtung der Spiele von einem Anbieter- zu einem Abnehmermarkt, in dem das IOC im Rahmen eines partnerschaftlichen Ansatzes gemeinsam mit interessierten Städten Konzepte entwickelt. In diesen geht es primär darum, die Olympischen und Paralympischen Spiele an die Gegebenheiten der jeweiligen Stadt anzupassen und nicht umgekehrt. So sollen Kosten vermieden und neue Interessenten gewonnen werden. Klos verwies darauf, dass es ein langfristiger Prozess sein wird, gerade die sogenannten „entwickelten Demokratien“ wieder für die Spiele zu gewinnen. Er betonte jedoch, dass die Kernidee hinter den Olympischen Spielen diese Anstrengung in jedem Fall wert sei.

An die Vorträge der drei Referenten schloss sich eine lebhafte Diskussion mit dem rund 40-köpfigen Publikum aus aller Welt an. Auch dieser akademische Gedankenaustausch spiegelte viele der zuvor skizzierten Positionen aus der öffentlichen Debatte wider: von Bedenken bezüglich der finanziellen Last für Kandidaten- und Ausrichterstädte bis zu dem Hinweis, dass der eigentliche Kern der Olympischen Spiele, das friedliche Zusammentreffen der Jugend der Welt und dessen verbindende Kraft, heute angesichts finanzieller Bedenken häufig untergehe, jedoch durchaus Förderung durch die öffentliche Hand verdiene.

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