Wiedersehenstreffen der Olympia-Medaillengewinner von 1964

Gruppenbild der Medaillengewinner*innen 196454 von 114 deutschen Medaillengewinnerinnen und Medaillengewinnern der Olympischen Spiele 1964 in Innsbruck und Tokio waren zum traditionellen Wiedersehenstreffen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) am letzten August-Wochenende nach Berlin gekommen. Die Deutsche Olympische Akademie (DOA) war wie in den letzten Jahren an der Organisation beteiligt.

 

Nicht alle, die vor 50 Jahren Edelmetall für die letzten gesamtdeutschen Teams holten, sind mehr unter uns – Hammerwerfer Uwe Beyer, Ringer Wilfried Dietrich, der „Kran von Schifferstadt", die Reiter Josef Neckermann, Reiner Klimke und Fritz Ligges oder Schwimmer Horst-Günter Gregor seien als Beispiele genannt.

Von denen; die kommen konnten, waren viele da und hatten ihre Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten mitgebracht. Die Zeit von der Anreise am Samstag bis zur Abreise am Montag war voll mit Gesprächen, mit „Weißt Du noch?", „Was machst Du heute?" und „Warum kann Olympia nicht mehr so sein wie damals?" Wie eine Reise im Zeittunnel war es, wenn Zehnkampf-Olympiasieger Willi Holdorf über Japans Lebenskultur („Wasserhähne mit Sensor ließen uns ratlos vor dem Becken stehen ...") erzählte, Boxer Hans Huber sich an sein Schwergewichts-Finale gegen Joe Frazier erinnerte, Judoka Klaus Glahn von der besonderen Verbindung seiner Sportart zum Austragungsland schwärmte, Schwimmer Hans-Joachim Klein von den gemischten deutschen Staffeln berichtete, Hürden-Olympiasiegerin Karin Balzer ihren Sprint zu Gold Revue passieren ließ oder Ortrun Enderlein (Zöphel) sich Gedanken über die bewegte Rodelgeschichte machte.

Festes Stück Erinnerungskultur

Das Programm beanspruchte die altersmäßig inzwischen reifen Persönlichkeiten um die 70 und darüber hinaus durchaus – vom Leichtathletik-Spektakel „Berlin fliegt" vorm Brandenburger Tor über den Empfang beim japanischen Botschafter am Auftakt-Samstag, dem tags darauf das Podiumsgespräch „Was ist geblieben? Erinnerungen und Ausblicke" im Hotel Ellington, das man mit den Top-Athlet*innen des ISTAF teilte, folgte. Weiter ging es nach Bustransfer mit dem Leichtathletikmeeting (mit Weltrekord der polnischen Hammerwerferin Anita Wlodarczyk), das man aus der Lounge des Hospitality-Bereichs des Olympiastadions verfolgen durfte, und zum Abschluss gab es dann noch einen Empfang durch Berlins LSB-Präsident Klaus Böger auf der Terrasse des Landessportbundes, nur ein paar Minuten Fußweg vom Stadion entfernt.

Die große Bedeutung, die Olympia in der modernen Gesellschaft nach wie vor hat, und damit auch die sportlichen Protagonisten, unterstrichen die, die den 64er Olympioniken ihre Aufwartung machten. DOSB-Präsident Alfons Hörmann wäre zu nennen, Prof. Walther Tröger, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der im Olympiastadion eigens einen Abstecher zu den Vorbildern von einst unternahm und Berlins olympische Ambitionen unterstrich. Hörmann hatte in seiner Einleitung zum Podiumsgespräch hervorgehoben, dass der Umstand, dass er um sich herum „in lauter strahlende und zufriedene Gesichter" schaue, beweise, „wie sinnvoll es ist, sich gemeinsam zu erinnern und Gedanken auszutauschen". Dass dies eingebunden sei, auch durch die Wahl der Unterkunft, in das Dasein aktueller Athleten sei eine „besonders schöne Form".

Erstmals habe es das Treffen im Jahr 1986, 50 Jahre nach den Spielen von Berlin 1936 gegeben, sagte er. Musste sich aber umgehend von Walther Tröger korrigieren lassen, der wissen ließ, man habe sich 1977 schon mal zusammengefunden – 25 Jahre nach den Helsinki-Spielen. Inzwischen, so Hörmann, sei die Veranstaltung längst „ein festes Stück Erinnerungskultur". Er stellte die 64er Spiele in den zeithistorischen Zusammenhang der „besonderen politischen Situation nach dem Mauerbau". Und auch das war für ihn ein notwendiger Annex: „1965 gab es den IOC-Beschluss, dass Deutschland künftig mit zwei getrennten Teams starten wird. Zwei Wochen später fiel die Entscheidung für Münchens Olympiakampagne. Bis zum Jahresende gelang es Willi Daume, die Finanzierung abzusichern, um am 31. Dezember fristgerecht die Bewerbung einzureichen. Mit Blick zurück fragt man sich: Wo war damals eigentlich NOlympia?" Hörmann ließ die Alt-Olympioniken einen Moment teilhaben an seiner aktuellen Hauptbeschäftigung: Berlins und Hamburgs Antworten auf den DOSB-Fragenkatalog zur möglichen Olympiabewerbung der beiden Städte. „Aktiv im Sinne der olympischen Werte wirken, die Dinge transparent machen, Begeisterung wecken, den Nutzen für die Stadtentwicklung zeigen", das sind für ihn Schwerpunkte.

Wo war damals eigentlich NOlympia?

Dabei gehe es nicht um ein bloßes Ja oder Nein. „Es heißt, aktiv, offen, kritisch und konstruktiv voranzugehen, auch in der eigenen Sportfamilie." Professor Manfred Lämmer aus dem Vorstand der Deutschen Olympischen Akademie (DOA), die gemeinsam mit dem DOSB das Treffen organisiert hatte und mit Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper eine ebenso charmante wie omnipräsente Vorsitzende hat, zeigte in seiner Gesprächseröffnung noch einmal ein paar zeitbezogene Fakten auf, die man heute schnell vergisst: „Es gab kein Fax, kein Internet, die Anreise war kompliziert". Das gemeinsame Team für Tokio kam erst nach 60 „innerdeutschen" Qualifikationen zustande, hatte schließlich 169 ost- und 167 westdeutsche Mitglieder und damit in Manfred Ewald dank der numerischen Majorität einen Chef de Mission aus der DDR. 14 NOK-Sitzungen (West) mit 1000 Stunden Umfang und 96 Tagungen der Fachverbände zum Thema Ausscheidungen unterstrichen, welch schwieriges Thema hier zu bewältigen war.

Davon blieben natürlich auch die Athleten selbst nicht verschont. „Die politische Diskussion hat sich schon sehr bemerkbar gemacht, aber es gab immer einen Unterschied im Verhalten der Sportler und der Funktionäre zueinander", sagte Silber-Achter-Ruderer Dr. Horst Meyer. Schwimmer Hans-Joachim Klein, mit dreimal Silber in gemischten deutschen Staffeln und einmal Einzel-Bronze vierfach medaillengekrönt, sprach vom „prima Verhältnis zu den DDR-Schwimmern, und als wir nach 25 Jahren nach dem Fall der Mauer wieder zusammengekommen sind, da war es, so als wenn nichts gewesen wäre". Der Potsdamer Kanu-Olympiasieger Jürgen Eschert (C1) erzählte von den teaminternen politischen Vorgaben, aber auch den Möglichkeiten, die zu umgehen, wollte man sich mit westdeutschen Sportkameraden treffen: „Wir hatten den Vorteil, dass die Funktionäre nicht paddeln konnten." Birgit Radochla-Michailoff, deren Silbermedaille im Pferdsprung die erste olympische Turnplakette für die DDR war, wusste aber auch, dass möglichem Miteinander viele Grenzen gesetzt waren.

„Das Gemeinsame erschöpfte sich im Grunde im Ein- und Ausmarsch bei Opening und Closing-Zeremonie, dazwischen war nicht allzuviel drin, zeigte man sich nicht erfinderisch in der Schaffung von Anlässen", sagte die demnächst 70-jährige, die immer noch so gebaut ist, als könnte sie jeden Moment wieder Radschlagen. Das Treffen war alles in allem auf der einen Seite Rückblick – mit Schmunzeln, Staunen, Kopfschütteln -, zum anderen aber auch Ausblick. Da passte der Abschluss mit dem Empfang bei Klaus Böger im LSB bestens. Der pries seine Gäste auf besondere Weise: „Sie haben geschafft, was ich im Leben nie mehr erreichen werde – eine Olympiamedaille zu gewinnen! Dafür gebührt Ihnen Anerkennung, Respekt, höchstes Lob!" Und er setzte im nächsten Satz noch eins drauf: „50 Jahre nach diesem Erfolg sind Sie der lebendige Beweis dafür, dass Sport im Körper und Geist jung erhält!"

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